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Gefährliche Abfälle bei Hilfsorganisationen #37262 11.08.2024 09:16
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UBurkhard Offline OP
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Hallo zusammen.
Ich versuche gerade, mich beim Thema "Gefährliche Abfälle" zurechtzufinden (Kaffeegespräche bei Fortbildungsveranstaltungen bringen manchmal doch interessante Erkenntnisse).

Die Ausgangssituation: Versorgung von Verletzten in der Präklinik, technische Maßnahmen bei eigenen Geräten am Einsatzort

Es fallen in der Regel an:
18 01 04 - Abfälle wie (blutige) Tupfer, Verbände usw.
18 01 01 - s.g. "Sharps", also scharfe und spitze Abfälle wie Nadeln, Kanülen, Ampullen, Fertigspritzen usw.
Andere Abfälle der Gruppe 18 treten faktisch nie auf, allenfalls, wenn ein Patient eine bekannte Erkrankung hat und diese mitteilt, dann IMHO 18 01 03. (ist mir in den vielen Jahren erst einmal untergekommen).
15 02 03 - Ölbindetücher verunreinigt mit Tropfmengen
15 02 02* - gebrauchter Ölbinder, Granulat (Menge bis zu 20 kg = 1 Sack)

Die Entsorgung der Abfallgruppe 18 erfolgt in der Regel über den Restmüll, 18 01 03 über das beteiligte Krankenhaus, Abfallgruppe 15 über Feuerwehr / kommunaler Bauhof.

Die Verpackung der Abfälle erfolgt nach LAGA-Empfehlungen / Richtlinien, Sharps in durchstichsicheren Behältern, Rest in reißfesten Säcken.

Transport:
In Betracht käme, aus meiner Sicht, zunächst einmal die Freistellung im Rahmen von ADR 1.1.3.1 c), d.h. die Fahrzeuge nehmen ihren Müll mit zurück an die Wache.
Bei länger dauernden Einsätzen werden Abfälle, sofern keine Entsorgung vor Ort (Kommune stellt Abfallbehälter) möglich oder gewünscht ist, im Nachschub zurück an die Wache transportiert, unter Anwendung von ADR 1.1.3.6.), Ausnahme 18
Freistellungen nach ADR 1.1.3.1 e) und ADR 1.1.3.1.d) sind nicht anwendbar.

Wie kann der Transport (regelgerecht) durchgeführt werden? Lieferschein / Beförderungspapier?
Kennzeichnung der Gebinde, insbesondere bei kleinen Mengen (einstellige Anzahl Ölbindetücher), eventuell ADR 3.4?
Welche Rolle könnte hier die Ausnahme 20 spielen?


Zuletzt bearbeitet von UBurkhard; 11.08.2024 09:16.

Mit besten Grüßen

Udo Burkhard
Re: Gefährliche Abfälle bei Hilfsorganisationen [Re: UBurkhard] #37263 11.08.2024 10:44
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M.A.T. Online
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Hallo, UBurkhard,
wenn Sie "Einsatzort" sagen vermute ich, daß es um hoheitliche Hilfeleistung nach Unfällen etc. geht. Warum ist dann aus Ihrer Sicht 1.1.3.1 d) nicht anwendbar? Das ADR beschreibt die Umstände rein qualitativ und setzt keine zeitliche oder mengenmäßige Grenze. Die Alternative c) sehe ich dagegen eher nicht, oder sind hier private Unternehmen im nichthoheitlichen Auftrag tätig?
Gruß
M.A.E.

Re: Gefährliche Abfälle bei Hilfsorganisationen [Re: UBurkhard] #37264 11.08.2024 13:14
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Gerald Offline
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Hallo Udo,
Antwort auf
In Betracht käme, aus meiner Sicht, zunächst einmal die Freistellung im Rahmen von ADR 1.1.3.1 c), d.h. die Fahrzeuge nehmen ihren Müll mit zurück an die Wache.


Sehe ich eher nicht, da wir hier eigentlich von der "Handwerkerregel" sprechen und das dürfte in Deinem Fall nicht zutreffen.

Antwort auf
unter Anwendung von ADR 1.1.3.6.), Ausnahme 18 ....bzw. ....eventuell ADR 3.4?


Das würde schon eher gehen, aber da musst Du ein paar Vorbereitungen machen. Zum Beispiel eine Dokumentenmappe erstellen, in welcher die wichtigsten Hinweise stehen, auch leere Beförderungspapiere im Bezug der Ausnahme 18, wo die entsprechenden Eintragungen schon eingetragen sind, und dann nur noch mit den Eintragungen für den Fall ergänzt werden.
Die Nutzung Kapitel 3.4 würde für die kleinen Mengen (einstellige Anzahl Ölbindetücher) schon gehen, musst nur die Auflagen nach Abschnitt 3.4.1 in einem Dokument erwähnen, welche zu beachten sind, und mit in diese Dokumentenmappe einheften.

Antwort auf
Welche Rolle könnte hier die Ausnahme 20 spielen?


Kann man nutzen, bei meinem letzten Gb-Lehrgang hatte ich einen Teilnehmer, welcher in einer Firme tätig ist, welche im Abfallbereich unterwegs ist. Der hat in Form einer Excel Tabelle die Tabelle in der Ausnahme 20 für die entsprechenden Abfall-/ Untergruppen und die entsprechenden UN-Nummern ins Beförderungspapier übernommen, somit muss der Fahrer nur noch die Menge eintragen, was er beim Kunden abholt, was im Vorfeld nicht planbar bzw. bekannt ist.

Antwort auf
Freistellungen nach ADR 1.1.3.1 e) und ADR 1.1.3.1.d) sind nicht anwendbar.


Sehe ich so ähnlich, wie M.A.T. in seinen Beitrag geschrieben hat, im Bezug ADR 1.1.3.1.d).

Denn ihr fahrt ja nicht so einfach zum Einsatz los, sondern bekommt einen Einsatzbefehl o.ä. von der zuständigen Behörde und in diesen könnte stehen: "Während des Einsatzes (von verlassen bis zur Rückkehr in den Standort), wird im Bezug gefahrgutrechtlicher Reglungen der Unterabschnitt 1.1.3.1 d) (ADR) genutzt bzw. angeordnet." oder so ähnlich.

Wobei auch der Unterabschnitt 1.1.3.1 e) möglich wäre, kommt aber dann auf den entsprechenden Einsatz an.

Ich würde das mal alles mit der zuständigen Behörde für Euch absprechen, sind ja genug Vorschläge vorhanden.


Gruss aus Unterfranken

Gerald
Re: Gefährliche Abfälle bei Hilfsorganisationen [Re: M.A.T.] #37265 11.08.2024 13:28
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Es ist kompliziert ...
Die klassischen Hilfsorganisationen sind in der Regel Vereine, Ausnahme Bayerisches Rotes Kreuz als KdöR und das Technische Hilfswerk als Bundesanstalt.
Die Einsätze der Hilfsorganisationen laufen bei Unglücksfällen in der Regel unterhalb der so genannten K-Schwelle (K = Katastrophenschutz) im Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rettungsdienstes, je nach Bundesland unterschiedliche Ausgestaltung und Träger.
Dann sind noch Einsätze in "Eigenregie" möglich, z.B. Sanitätsdienste.
Das Referat Gefahrgut beim BMVI bzw. BMVD sieht für die klassischen Hilforganisationen, außer im behördlich festgestellten Katastrophenfall oder Zivilschutzfall, KEINE Anwendungsmöglichkeit der Freistellung nach ADR 1.1.3.1. d).
Die Kontrollbehörden nutzen zwar in der Regel ihren Ermessensspielraum (nicht immer), spätestens bei einem Unfall ist damit jedoch Schluss.


Mit besten Grüßen

Udo Burkhard
Re: Gefährliche Abfälle bei Hilfsorganisationen [Re: Gerald] #37266 11.08.2024 13:29
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Ursprünglich geschrieben von: Gerald

.....
Wobei auch der Unterabschnitt 1.1.3.1 e) möglich wäre, kommt aber dann auf den entsprechenden Einsatz an.

Ich würde das mal alles mit der zuständigen Behörde für Euch absprechen, sind ja genug Vorschläge vorhanden.


Hallo, Gerald und UBurkhard,
zu diesem Punkt finde ich die österreichische Auslegungsargumentation von 2015 interessant, weil sie m.E. die Anwendung dort doch einschränkt:
"1.1.3.1 e) Proben- als Notfallbeförderung
Für die Beförderung von medizinischen Proben – auch hinsichtlich Ebola – bestehen in der Regel
geeignete Vorschriften und ausreichende Zeitreserven. Die Notfallbeförderung durch
Einsatzorganisationen wie Feuerwehr oder Rettung ist daher nur dann zulässig, wenn sie auf
Grund besonderer Umstände erforderlich ist."

Nun sind im vorliegenden Fall eigentlich keine Proben betroffen, aber man weiß ja nie auf welche Überlegungen jemand kommt. Der Erlaß von 2007 kommentiert noch ausführlicher, insbesondere umschreibt er "Notfallbeförderungen". Natürlich gilt das nur in der Alpenrepublik, aber die Argumentationen könnte auch hierzulande jemand anbringen.
Gruß
M.A.T.

Re: Gefährliche Abfälle bei Hilfsorganisationen [Re: UBurkhard] #37267 11.08.2024 13:35
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Hallo, UBurkhard,
woher stammt diese Auslegung der beiden Bundesbehörden denn; in der RSEB steht nichts davon. Im Gegenteil wird darin (1-5.3) ausdrücklich die Anwendbarkeit nach e) auch "von Dritten" erlaubt. Eine Einschränkung auf "Katastrophenfall" etc. stünde m.E. im direkten Widerspruch zum ADR, das von "Unfall" oder gar nur "Zwischenfall" spricht. Insofern halte ich eine solche Einschränkung durch eine unverbindliche Bundesempfehlung für nicht gerichtsfest.
Das Ganze natürlich ohne Diskussion, ob nach einem Unfall tatsächlich die Polizei dann die Hilfsdienste auch kontrollieren würde, und nicht eher mit einem Fz. den Transport begleiten würde. Das Schutzziel der Vorschrift zählt letztendlich, nicht ein formalistisches Bürokratendenken. Geralds Rat der frühzeitigen lokalen Absprache kann ich nur zustimmen.
Gruß
M.A.T.

Re: Gefährliche Abfälle bei Hilfsorganisationen [Re: Gerald] #37268 11.08.2024 13:50
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Salve.
Hilfsorganisationen können, so das Referat Gefahrgut beim BMVI bzw. BMVD, im Rahmen ihrer satzungsgemäßen Aufgaben die Freistellung nach ADR 1.1.3.1 c) nutzen. Die Bedingungen (Haupttätigkeit, zum direkten Verbrauch, Mengenbegrenzung, keine externe oder interne Versorgung) sind in der Regel erfüllt.

Bei ADR 1.1.3.1. e) gibt die RSEB in 1-6 das Stichwort "... unmittelbar zur Rettung menschlichen Lebens oder zum Schutz der Umwelt erforderlich".
Die Entsorgung von Abfällen fällt selbst mit allen zugedrückten Augen nicht unter diese Bedingung.
Schon die Rückführung von nicht benötigten gefährlichen Stoffen (u.a. Kraftstoff, Sauerstoff, Desinfektionsmittel, Brenngas) wird von einigen Behörden unter dem Aspekt "unmittelbar erforderlich" kritisch gesehen.

Entsprechende Unterlagen sind vorhanden und aktuell in Überarbeitung, ebenso die Schulungsplanungen für Einsatzfahrer und Führungsverantwortliche.


Mit besten Grüßen

Udo Burkhard
Re: Gefährliche Abfälle bei Hilfsorganisationen [Re: UBurkhard] #37269 11.08.2024 13:52
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Gerald Offline
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Hallo Udo,
Antwort auf
Es ist kompliziert ...


Es ist nicht kompliziert, es wird kompliziert gemacht. Wenn man sich die Katastrophen oder ähnliches in den letzten Jahren so ansieht, wird im Nachhinein viel erzählt, aber selten was geändert. Kann ich manchmal nicht verstehen.

Antwort auf
Das Referat Gefahrgut beim BMVI bzw. BMVD sieht für die klassischen Hilforganisationen, außer im behördlich festgestellten Katastrophenfall oder Zivilschutzfall, KEINE Anwendungsmöglichkeit der Freistellung nach ADR 1.1.3.1. d).


Was soll man da noch sagen, ich hoffe nur das es zu keinem Unfall oder ähnlichen in solchen Situationen kommt. Denn gerade im Gefahrgutrecht haben wir die Erfahrung gemacht, dass nach solchen Ereignissen schnell die entsprechende Änderung oder Neufassungen aus der Schublade geholt werden, denken wir nur an Herborn 1987!

Aber ich hoffe, dass Du aus unseren Beiträgen ein paar Informationen nutzen kannst, welche Euch das Leben einfacher machen. Und bei den Behörden muss man eben immer wieder vorstellig werden, irgendwann erreicht man was, braucht eben aber Geduld.


Gruss aus Unterfranken

Gerald
Re: Gefährliche Abfälle bei Hilfsorganisationen [Re: Gerald] #37270 11.08.2024 13:55
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Hallo, UBurkhard,
wie gesagt, für eine solche Auslegung hätte ich gerne eine zitierfähige Quelle. Sie widerspräche gravierend dem, was im ADR steht, würde dadurch doch die ganze Regelung unter d) und e) überflüssig sein.
Die einzige zitierfähige offizielle Auslegung ist die RSEB, und die sagt m.E. etwas ganz anderes.
Gruß
M.A.T.

Re: Gefährliche Abfälle bei Hilfsorganisationen [Re: M.A.T.] #37271 11.08.2024 14:03
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UBurkhard Offline OP
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BMVI und BMVD sind das gleiche Bundes-Verkehrsministerium, die ändern je nach Regierung halt mal den Namen. smile

Der Knackpunk ist die RSEB 1-5 ...) : "Beförderungen außerhalb des Regelwerks durch staatliche Einsatzkräfte oder die von ihnen überwachten beauftragten Unternehmen erfordern." und "Einsatzkräfte sind nur die für Notfallmaßnahmen nach dem deutschen Recht zuständigen Stellen."
Da haben wir 17 unterschiedliche Auslegungen, 16 Länder und einmal Bund. Staatliche Einsatzkräfte sind nach den Ländergesetzen in aller Regel die Feuerwehren als kommunale Einrichtung, die Bundesanstalt THW, Bundes- und Landespolizeien und eventuell, je nach Bundesland, die Kampfmittelbeseitigung. Die Hilfsorganisationen / Rettungsdienste finden keine Erwähnung.

Ich sag ja, es ist kompliziert.

Hilft mir aber bei meinem eigentlichen Problem nicht weiter.
Aufgrund der eben nicht sicher definierten Verhältnisse will ich im Rahmen von ADR 1.1.3.6 und damit auf der sichereren Seite bleiben.
Nur im Abfallrecht fehlt mir leider der richtige Input ...

Zuletzt bearbeitet von UBurkhard; 11.08.2024 14:10.

Mit besten Grüßen

Udo Burkhard
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