Gefahrgut-Foren.de
vorheriges Thema
nächstes Thema
Thema drucken
Freistellung nach 1.1.3.1 c) undicht was nun ? #6434 09.04.2008 21:08
Registriert: Jan 2006
Beiträge: 31
H
hugo12 Offline OP
Spezi
OP Offline
Spezi
H
Registriert: Jan 2006
Beiträge: 31
Grüss euch recht herzlich !



Kleine Frage: bei einem Transport zur Baustelle, von 330 Liter Benzin zum Betanken von irgendwelchen Baumaschinen, wird ein Behälter benutzt der nicht UN-codiert ist. Nach meiner Auffassung fällt der Behälter unter die Freistellung, weil dieser eigentlich so beschaffen ist, dass "unter normalen Beförderungsbedingungen ein Freiwerden des Inhalts verhindert" wird. Nun wurde dieser Behälter jedoch randvoll befüllt, mit der Folge, dass ein paar Liter scheinbar durch Sonneneinwirkung über eine Art Tankverschluss ausgetreten und auf die Straße gelaufen sind. Was wäre nun rechtlich zu befürchten, ist dann die Freistellung nach 1.1.3.1 c) durch den Produktaustritt quasi nichtig und das ADR (z.B. mind. 1.1.3.6) müßte nun im Nachhinein beachtet werden?. Wurden überhaupt gefahrgutrechtliche Vorschriften verletzt? Und wenn ja, welche ? Würde ja bedeuten, eigentlich freigestellt, aber wenn etwas passiert kommt die volle Wucht der Vorschriften ? Wer weiss Rat ? Wäre das nicht so zu sehen, wie wenn bei einem Tank eines Pkw`s etwas ausläuft, da greifen doch auch nicht jetzt Gefahrgutvorschriften, allenfalls etwas Wasserrechtliches.??

Besten Dank im voraus.




Zuletzt bearbeitet von hugo12; 09.04.2008 21:13.
Re: Freistellung nach 1.1.3.1 c) undicht was nun ? [Re: hugo12] #6435 10.04.2008 12:10
Registriert: Nov 2007
Beiträge: 14
stephan Offline
Mitglied
Offline
Mitglied
Registriert: Nov 2007
Beiträge: 14
Hallo hugo12,

die Freistellung aus 1.1.3.1.c bleibt, aber jemand macht was falsch! Ich meine, Antwort gibt hier die Anl. 2 GGVSE. Unter 1.3 Buchst. c Doppelbuchst. bb beschreibt sie, daß die allgemeinen Verpackungsvorschriften nach UA 4.1.1.1 eingehalten werden müssen. Diese wurden von Ihnen ja bereits in Teilen zitiert. Ich bin aber entgegen Ihrer Meinung der Auffassung, daß hier ein Verstoß gegen diese Vorschrift vorliegt, weil die Verpackung nicht so verschlossen war, wie sie hätte sein sollen. Das Verschließen des Kanisters nach randvoller Befüllung läßt ein Austreten des Inhalts bei Temperaturwechsel oder Druckänderung ohne weiteres befürchten und ist m.E. demzufolge nicht ordnungsgemäß erfolgt. Der Verpacker handelt hier ordnungswidrig nach §§ 9 (5) Nr. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa, 10 Nr. 9 GGVSE. Die RSE, Anl. 7 hält dies für einen Kategorie-I-Verstoß und gibt eine Bußgeldempfehlung von 800 Euro!! Der muß man ja nun nicht unbedingt folgen, aber die OWi liegt m.E. eindeutig vor.

"Allenfalls etwas wasserrechtliches": Da sind wir im Bereich der Umweltstraftaten aus dem StGB. Hier konkret die §§ 324 folgende, näheres s. dort. Die sind alles andere als Kavaliersdelikte.

Gruß

stephan

Re: Freistellung nach 1.1.3.1 c) undicht was nun ? [Re: stephan] #6436 10.04.2008 13:16
Registriert: Feb 2002
Beiträge: 723
TDamm Offline
Meister aller Klassen
Offline
Meister aller Klassen
Registriert: Feb 2002
Beiträge: 723
Hallo Hugo,

grundsätzlich befreit UA 1.1.3.1c ADR nur dann vom ADR (nicht von der GGVSE), wenn die Bedingungen dieser Freistellung eingehalten werden. Mach nun einer etwas falsch, z.B. es werden mehr als 333 Liter Benzin eingefüllt oder die Ladungssicherung wird nicht erfüllt, entfällt die Freistellung für diesen Transport und die weiteren Regelungen des ADR sind einzuhalten.
Ob tatsächlich eine Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann, kommt aber auf den Einzelfall an. Nach § 1 OwiG ist eine Ordnungswidrigkeit eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung, die den Tatbestand eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt.
Damit stellt sich erstmal die Frage, wem die Owi vorgeworfen wird. Auch bei einer Befreiung vom ADR hat der Fahrzeugführer Pflichten, die nicht auf das ADR verweisen, zu beachten. Eine solche Pflicht ist im § 9 Abs. 11 Nr. 1 GGVSE (kein Versandstück befördern, dessen Verpackung erkennbar unvollständig oder beschädigt, insbesondere undicht ist, so dass gefährliches Gut austritt oder austreten kann) gegeben. Da diese Pflichtverletzung nach dem normalen Menschenverstand auch dem Fahrer vorzuwerfen ist, wäre in der Regel diese Owi gegen den Fahrer ahndbar. Ähnlich sieht es bei der fehlenden Ladungssicherung aus. Anders würde ich die Vorwerfbarkeit bei den Verpackerverstößen sehen. Verpacker ist eine Unternehmerpflicht, welche gemäß § 9 Abs. 2 OwiG auf beauftragte Personen übertragen werden kann. Ob das die Person ist, welche tatsächlich die 335 Liter Benzin in die nicht UN – Codierte Verpackung befüllt, ist im Einzelfall nachzuweisen. Darüber hinaus bleibt diese Pflicht auch beim Unternehmer hängen. Damit kommt es darauf an, ob der Unternehmer gegenüber dem handelnden seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen ist. Sollte sich herausstellen, dass der handelnde nicht in die Freistellungsbedingungen eingewiesen wurde, ist die verletzte Pflicht dem Unternehmer durchaus vorwerfbar. Auch mangelnde Kontrollpflicht des Unternehmers führt zur Vorwerfbarkeit.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Damm


Freundliche Grüße
Thomas Damm
Re: Freistellung nach 1.1.3.1 c) undicht was nun ? [Re: TDamm] #6437 10.04.2008 13:44
Registriert: Nov 2007
Beiträge: 14
stephan Offline
Mitglied
Offline
Mitglied
Registriert: Nov 2007
Beiträge: 14
Hallo Herr Damm,

da ließe sich nach meiner Ansicht aber trefflich darüber diskutieren, ob der Satz zwei des UA 1.1.3.1.c eine Bedingung für die Freistellung darstellt oder "nur" eine Auflage (vgl. Fahrerlaubnisrecht, ich denke Sie wissen qua Amt Bescheid). Unstrittig dürfte sein, daß der Satz 1 sämtlich Bedingungen enthält, aber dagegen wird im vorliegenden Fall ja nicht verstoßen. Ein Verstoß gegen Auflagen führt nicht zum Erlöschen des Privilegs. Ohne über weitere Informationen zu verfügen, denke ich nach mindestens grammatikalischer, aber auch nach teleologischer Auslegung der Norm, daß es sich um einen Fall handelt, der unter der Freistellung subsumiert werden kann. Sollten Sie andere Informationen haben, wäre ich für ein Vorstellen derselben in diesem Rahmen dankbar.

Grüße

stephan

Re: Freistellung nach 1.1.3.1 c) undicht was nun ? [Re: stephan] #6438 10.04.2008 14:41
Registriert: Feb 2002
Beiträge: 723
TDamm Offline
Meister aller Klassen
Offline
Meister aller Klassen
Registriert: Feb 2002
Beiträge: 723
Hallo Stefan,

die mir bekannte Literatur zu dem Thema der Freistellung nach 1.1.3.1c ADR in Verbindung mit Anlage 2 zur GGVSE geht davon aus, dass eine Bedingung und keine Auflage zu erfüllen ist. Eine gerichtliche Entscheidung dazu ist mir jedoch nicht bekannt.

Gruß
Thomas Damm


Freundliche Grüße
Thomas Damm
Re: Freistellung nach 1.1.3.1 c) undicht was nun ? [Re: TDamm] #6439 10.04.2008 16:05
Registriert: Nov 2007
Beiträge: 14
stephan Offline
Mitglied
Offline
Mitglied
Registriert: Nov 2007
Beiträge: 14
Hallo Herr Damm,

damit wäre die Frage aber noch nicht beantwortet, ob bei Verstoß gg. die sagen wir mal "Forderungen" aus Satz zwei in 1.1.3.1.c ein Verstoß gegen Bedingungen (mit der Konsequenz des Verlustes des Privilegs) oder nur gegen Auflagen ist. In diesem Zusammenhang erscheint mir die Formulierung in der Vorschrift "unter normalen Beförderungsbedingungen" als reichlich vage zu sein. Aus diesem unbestimmten Rechtsbegriff eine Bedingung ableiten zu wollen, würde ich im Falle persönlicher Betroffenheit dringend anzufechten versucht sein.

Aber letztendlich kann man auch zweierlei Auffassung sein, das machen uns Gerichte schließlich auch jeden Tag vor.

Freundliche Grüße

stephan

Re: Freistellung nach 1.1.3.1 c) undicht was nun [Re: stephan] #6440 10.04.2008 20:04
Registriert: Mar 2007
Beiträge: 492
Mark Offline
Meister aller Klassen
Offline
Meister aller Klassen
Registriert: Mar 2007
Beiträge: 492
Hallo stephan,

die Bedingung bzgl. der Auflage gemäß Unterabschnitt 1.1.3.6 (max. 333 ltr. Benzin) wurden durch den Akt des Überfüllens nicht überschritten, da der Unterabschnitt 1.1.3.6 bei Flüssigkeiten von 333 ltr. Nennvolumen ausgeht. Mit dem Überfüllen einer Verpackung ändere ich nicht das Nennvolumen der Verpackung.

Jedoch sind offensichtlich die minimalen Maßnahmen zum Verhindern des Freiwerdens nicht eingehalten worden, da ja was ausgelaufen ist.

Normale Beförderungsbedingungen sind Transporte bei voller Sonneneinstrahlung und 45°C im Schatten, Achterbahnfahren nach einem Ausweichmanöver oder eine Vollbremsung. Keine normalen Beförderungsbedingungen wären der Ausflug in den Graben mit anschließendem Kopfstand, das Parken neben einem brennenden Fahrzeug oder die ungebremste Umarmung mit dem entgegenkommenden LKW bei 80 km/h.

Was man den Leuten unbedingt eintrichtern sollte ist der max. Füllungsgrad der Verpackungen (bei 90 % ist man auf der sicheren Seite) nicht überschreiten darf und dass die Verpackung gut verschlossen werden muss. Eins von Beidem wird das Problem ausgelöst haben.


Grüße

Mark


Grüße

Mark
Re: Freistellung nach 1.1.3.1 c) undicht was nun [Re: Mark] #6441 11.04.2008 08:34
Registriert: Nov 2007
Beiträge: 14
stephan Offline
Mitglied
Offline
Mitglied
Registriert: Nov 2007
Beiträge: 14
Hallo Mark,

Sie haben recht. Aber die Freistellung nach 1.1.3.6 stand ja nicht zur Debatte. Es ging darum, ob das "Handwerkerprivileg" aus 1.1.3.1 c dann erlischt, wenn das Gebinde (unterhalb der Grenze aus 1.1.3.6) so vollgefüllt wird, daß bei Sonneneinstrahlung Füllgut austritt, und hier um die - verwaltungsrechtlich relevante - Frage, ob es sich bei der Maßgabe in Satz zwei des 1.1.3.1.c (kein Freiwerden des Inhalts unter normalen Bedingungen) um eine Auflage oder eine Bedingung handelt. Wäre diese Maßgabe eine Auflage, so würde ein Füllgutaustritt die Freistellung (1.1.3.1.c) nicht beeinflussen; wäre die Maßgabe jedoch eine Bedingung, so hinge die Existenz des Privilegs (aus 1.1.3.1.c) geradezu von der Einhaltung der Maßgabe ab. Und das hätte dann weitreichende Konsequenzen hinsichtlich der Anwendbarkeit weiterer Vorschriften aus Teil 8 ADR (Beförderungspapier, Feuerlöscher ... s. 1.1.3.6.2).

Vermutlich machen sich über solche "Spitzfindigkeiten" nur Verwaltungsrechtler Gedanken! Letzendlich hinge aber eine Verurteilung auch an solchen Spitzfindigkeiten.

Freundliche Grüße

stephan

Re: Freistellung nach 1.1.3.1 c) undicht was nun [Re: stephan] #6442 11.04.2008 22:33
Registriert: Jan 2006
Beiträge: 31
H
hugo12 Offline OP
Spezi
OP Offline
Spezi
H
Registriert: Jan 2006
Beiträge: 31
Besten Dank für die fundierten rechtlichen Gedanken.
Leider kann ich daraus eine konkrete Lösung des geschilderten Problems nicht direkt ableiten, wobei zu sagen wäre, dass mir die Problembehandlung schon ein bisschen weiter geholfen hat. Die Krux sehe ich generell in den nicht vorhandenen bzw. in den nicht bekannten Rechtssprechungsurteilen zum Gefahrgutrecht, insbesondere im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten wie z.B. dem Verkehrsrecht, Strafrecht etc.


Kostenloser Gefahrgut-Newsletter

Wöchentlicher Gefahrgut-NewsletterWöchentlich die aktuellsten News vom Gefahrgut-Portal gefahrgut.de - mit dem Newsletter "ecomed-Storck Gefahrgut".

Suche

Aktuell wird diskutiert
Einstufung
ansteckungsgefährlicher Stoffe

von stefan_gssa - 17.04.2025 14:17
Schaden durch Wickelfolie
von UBurkhard - 17.04.2025 09:42
Druckgasbehälter / zugelassene Produkte
von Feuerstein - 17.04.2025 07:54
Produkttipps

Präsentiert von
ecomed SICHERHEIT und Storck Verlag Hamburg
Marken der ecomed-Storck GmbH
www.ecomed-storck.de
Foren-Regeln | Impressum | Datenschutz | Newsletter | Datenschutz-Einstellungen
Powered by UBB.threads™ PHP Forum Software 7.7.3